Der Milchmann ist ein älterer Herr aus meiner Nachbarschaft, der täglich mit dem Fahrrad zu seiner Garage kommt, um dann ein wenig an seinem Auto zu schrauben und es stets wie neu aussehen zu lassen. Ich kannte ihn nur als den freundlichen Opa mit dem blauen Golf. Seit der Zeit der "Abwrackprämie" fährt er nun einen Dacia; ebenfalls in Blau. Die Menschen im Viertel nennen ihn in der Regel einfach nur "Milchmann", weil er nach dem II. Weltkrieg jahrelang in Görlitz und Umgebung Kuhmilch ausgefahren hat. Im Grunde ist er aber gelernter KFZ-Schlosser und hat sein Leben lang an Autos und Motoren herumgebastelt. Gerne hätte ich eine größere Foto-Serie über ihn gemacht, aber er lehnte dies dankend ab. So gibt es ein Foto, das ihn nur teilweise zeigt und ihn dennoch treffend portraitiert. Das Gedicht erzählt mit wenigen Worten seine Geschichte...
der Milchmann, 2012 |
Sascha Röhricht
der Milchmann
mit klackernden Kannen
und dem Klimpern der Flaschen
ging es über die Dörfer
und von Hof zu Hof
im flackernden Fernlicht
und beim Versuch
die Müdigkeit zu verbannen
folgten ihm die Schatten
der vergehenden Nacht
und mit dem Geruch
von Holzgas
in Nase und Lunge
und den Geschmack
des Rauches auf der Zunge
ging es hinein
in die schmalen Straßen
der alten Stadt…
----------------------
ein halbes Leben lang
und Tag für Tag
trug er das weiße Gold
mit sich im Gepäck…
doch heute
da fährt er
ohne Ladung
durch unser Viertel
und ganz ohne Hektik
um jedes verlassene Eck…
sein Zuhause
ist nun die Garage
doch seine Stunden
sind noch immer
motorisiert
da wird geschraubt
und viel gebastelt
und die Hände werden
noch ein letztes Mal
kräftig
mit Öl geschmiert…
2012
Kommentare
Kommentar veröffentlichen